Der Begriff Biodiversität oder biologische Vielfalt umfasst die Vielfalt der natürlichen Lebensräume, der verschiedenen Tier- und Pflanzenarten und die genetische Vielfalt. Doch seit einigen Jahrzehnten vermindert sich weltweit die Biologische Vielfalt mit bedenklicher Geschwindigkeit: Natürliche Lebensräume werden zerstört und die Aussterberate von Tieren und Pflanzen ist heute um ein Vielfaches erhöht.
Die Biodiversität ist ein ganz besonderes Gut unserer Erde und für Menschen unverzichtbar. Natürliche Lebensräume und Arten versorgen uns mit Nahrung und Trinkwasser, liefern Fasern für Kleidung und Grundstoffe für Arzneien, bieten Schutz vor Stürmen und Überschwemmungen und regulieren das Klima. Ohne die Biodiversität und die Leistungen der Ökosysteme, die wir Menschen vielfältig nutzen, wären die Existenzgrundlage, die Gesundheit und das Wohlergehen in Gefahr. Der Verlust an Biodiversität ist neben dem Klimawandel eines der gravierendsten Umweltprobleme unserer Zeit.
Friedhöfe sind nicht nur Orte der letzten Ruhe, sondern auch Oasen des Lebens und der Hoffnung. Sie unterliegen oft über Jahrhunderte hinweg derselben Nutzung. Alte Baumbestände, einheimische Hecken, Mauern und Steine, aber auch die Freiflächen und die liebevoll gestalteten Gräber bieten wertvolle Lebensräume für zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Sie sind Rückzugsorte für Wildpflanzen, Insekten, Vögel und Fledermäuse und tragen dazu bei, die biologische Vielfalt zu erhalten. Diese Lebensräume können auch helfen, die Folgen des Klimawandels abzumildern.
Eine artenreiche Wiese kann beispielsweise gegenüber einem Rasen viel mehr CO2 und Wasser speichern. Friedhöfe können somit zu Orten werden, die vom Leben erzählen und Hoffnung spenden – sowohl im christlichen als auch im weltlichen Sinn.
Natur braucht Platz – auf vielen Friedhöfen entsteht Platz. Der Wandel der Bestattungskultur – weg von großen Familiengrabstätten und Reihengräbern hin zu Urnengräbern – sorgt dafür, dass auf Brachflächen neue Lebensräume entstehen können.
Das Projekt „BiodiversitätsCheck in Kirchengemeinden“ – kurz BiCK – fördert biologische Vielfalt auf Friedhöfen der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), z. B. durch das Pflanzen insektenfreundlicher Stauden, Blumenzwiebeln oder einheimischer Bäume und Sträucher, durch das Aufstellen von Nisthilfen und Trinkstellen für Vögel und Insekten oder das Anlegen von Totholzstrukturen. Kirchengemeinden der EKvW werden bei der Umsetzung biodiversitätsfördernder Maßnahmen mit Beratung und Finanzmitteln unterstützt. Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung der Biodiversität zu steigern. Friedhöfe sollen für alle Generationen als Orte des Lebens erfahrbar gemacht werden. Es werden Handlungsoptionen aufgezeigt, um aktiv etwas gegen das Artensterben zu tun und die Bedeutung der biologischen Vielfalt für Mensch und Umwelt hervorzuheben. Hierzu werden Multiplikator*innen – die sogenannten „Schöpfungsbotschafter*innen“ – ausgebildet. Diese übernehmen eine zentrale Rolle in der Kommunikation und tragen die Botschaft des Projekts in die Gemeinden und darüber hinaus.
Vielleicht werden Sie einige Veränderungen bei Rundgängen über den Evangelischen Friedhof in Rünthe entdecken: Es wurden Nisthilfen für Insekten, Vögel oder Fledermäuse angebracht und eine Wildblumenwiese angelegt, die mehr als 30 verschiedene Blumen und Gräser beherbergt. Auf der sonnigen Seite der neu angelegten Trockenmauer entstand ein Sandarium, in dem viele Wildbienen, Käfer und andere Insekten ein zuhause finden. Für die Trockenmauer wurden Sandsteine aus einem lokalen Steinbruch in Dortmund aufgeschichtet und mit trockenliebenden heimischen Stauden bepflanzt. Die alte Lindenallee musste schon ein paar Verluste hinnehmen, jedoch wurde sie wieder ergänzt, damit der prägende Charakter erhalten bleibt. Abgängige Bäume, die eine Verkehrsgefährdung darstellen, bleiben als Stamm stehen, da bereits Höhlungen entstanden sind, die häufig als Wohnung für Spechte, Stare, Fledermäuse oder Eichhörnchen genutzt werden. Eine freiwachsende Hecke mit heimischen Vogel-Nährgehölzen wurde angepflanzt, hier dürfen sich die Vögel und Insekten gerne bedienen.
Die Totholzhecke aus aufgeschichteten Ästen und Zweigen hat einen doppelten Sinn: die heruntergefallenen Zweige brauchen nicht entsorgt zu werden und eine solche Totholzhecke bietet einen vielfältigen Lebensraum für Insekten, Amphibien, Reptilien, Spinnen, aber auch Vögel, Fledermäuse, Igel, Haselmäuse und andere Tiere profitieren vom Totholz. Sie bietet Unterschlupf, Futterquelle, Überwinterungsquartier für Igel und Erdkröte. Gerne darf jeder Besucher des Friedhofes Äste und Zweige aufsammeln und die angelegte Totholzhecke ergänzen.
Informationen auf Hinweistafeln sollen die Besucher informieren und animieren zuhause oder an anderen Orten selbst Maßnahmen zur Steigerung der biologischen Vielfalt umzusetzen.
Aber auch bei der Grabgestaltung kann etwas für die Artenvielfalt getan werden. Gräber gelten als ein besonderer Ort der Trauer und ein Ort der Erinnerung. Bei einem Gang über den Friedhof fällt aus ökologischer Sicht auf, dass bei der Grabgestaltung in der Regel größtenteils Zierpflanzen verwendet werden. Wer sich bei der Bepflanzung für insektenfreundliche Pflanzen entscheidet, wie z.B. Dost, Thymian, Knäuel-Glockenblume, Wiesen-Margarite, Wiesen-Salbei, Lavendel, Rosmarin, kann einen kleinen Beitrag leisten. Durch die richtige Pflanzenauswahl wird ein ganzjähriges Blütenangebot während der Vegetationsperiode von März bis Oktober gewährleistet. Gefüllte Blüten sind generell ungünstig für Insekten, da sie durch große auffällige Blüten Insekten anlocken, aber keinen Nektar und Pollen bilden.
Ideen und Anregungen für eine ökologische Grabgestaltung gibt eine Broschüre des BUND https://www.bund-niedersachsen.de/service/publikationen/detail/publication/ideen-und-anregungen-fuer-eine-wildbienenfreundliche-grabgestaltung/
Informationen über die Friedhöfe unserer Gemeinde erhalten Sie hier.
Angelika Molzahn